16.09.2022
Stoffinhalte oder Lernziele sollen vor einer Prüfung bekannt sein
Die Bildungsdirektion hat das Reglement «Leistungsbeurteilung an den Volksschulen Baselland» überarbeitet. Die 17 Baselbieter Sekundarschulen sind angehalten, dieses im laufenden Schuljahr umzusetzen. Neben der Festlegung einer minimalen Anzahl Prüfungsnoten gibt insbesondere die Formulierung betreffend Lernzielen Anlass zur Diskussion.
Lernziele beschreiben u.a. Stoffinhalte, Fertigkeiten, Wissen, Bereiche oder Kompetenzen, welche die Schüler/-innen für eine Prüfung abrufen und anwenden können müssen. Das kann von eher allgemeinen Angaben wie «Der Aufstieg Napoleons bis zur Kaiserkrönung» oder «Den Satz von Pythagoras verstehen und anwenden» bis zu sehr detaillierten Angaben reichen wie z.B. «Den Verdauungsvorgang beschreiben» oder Fertigkeiten beschreiben wie «Mit dem Fussball jonglieren». Lernziele können sowohl schriftlich wie auch mündlich erteilt werden, abhängig von ihrer gewünschten Genauigkeit und dem Detaillierungsgrad.
Nicht für jede Klasse und jedes Thema sind Lernziele gleichermassen sinnvoll
Nicht für jede Klasse ist dieselbe Methodik zielführend und nicht jede didaktische Finesse führt zum gewünschten Resultat. Genauso unterschiedlich wie die Klassen, so unterschiedlich sind ihre Bedürfnisse. Insofern macht es pädagogisch wenig Sinn, Lernziele für alle Fächer und alle Klassen, alle Schulstufen und alle Leistungszüge über einen Kamm zu scheren. Dass Stoffinhalte oder Lernziele angegeben werden, ist unbestritten. Selbst «alles, was wir in diesen fünf Wochen hierzu geübt haben» ist ein Lernziel. Letztlich ist das primäre Ziel eines Lernziels das Lernen resp. das Gelernte, also der Stoffinhalt einer Unterrichtseinheit.
Das Modell, welche Art der Vergabe von Stoffinhalten oder Lernzielen für welche Stufe und Klasse angewendet werden soll, ist eine rein pädagogische Überlegung. Und in jeder Klasse muss nicht die gleiche Vergabe in jedem Fach sinnvoll sein. Was für die eine Klasse stimmig und bedürfnisorientiert ist, muss für die andere nicht zutreffen. Was für den einen Leistungszug Sinn macht, kann für den anderen Leistungszug unsinnig und wenig förderlich sein. Was in der einen Schulstufe eventuell nötig ist, verhindert in einer anderen unter Umständen die Entwicklung einer vorausschauenden Selbständigkeit der Schüler/-innen.
Befürworten Schüler/-innen präzis formulierte Lernziele?
Tendenziell lässt sich diese Frage sicherlich bejahen. Warum aber? Unsichere Schüler/-innen erhoffen sich eine stärkere Einengung des zu bewältigenden Stoffes durch die Ausklammerung des nicht genannten Inhaltes, was wiederum eine Fokussierung auf die wirklich relevanten Gebiete des Prüfungsstoffs erhoffen lässt. Dies schränkt aus Sicht der Lernenden den zeitlichen Aufwand ein, nimmt ihnen aber auch die Aufgabe vorweg, selber über die Gewichtung der eigenen Prüfungsvorbereitung zu entscheiden. Je präziser die Lernziele gestellt sind, desto eher liesse sich eventuell eine mögliche Prüfungsfrage daraus ableiten.
Je präziser die Lehrperson die Lernziele formuliert, desto mehr davon braucht sie, um den ganzen geplanten Prüfungsstoff abzudecken. Sollte dies dazu führen, dass eine kritische Masse an Lernzielen überstiegen wird, finden sich bestimmt Erziehungsberechtigte, die dies als eine schiere Überforderung ihres Kindes empfinden. Selbstverständlich werden nach dem Test alle Fragen der Prüfung unterzogen, ob sie denn auch dergestalt in den Lernzielen vorgekommen sind.
Sind die Lernziele zu allgemein und zu wenig aussagekräftig (d.h. prüfungsnah), finden sich sicherlich wiederum Eltern, die genau dies bemängeln.
Lehrpersonen sollen beim Entscheid betreffend Lernzielen frei bleiben
Dass vor einer Leistungserhebung Lehrpersonen die Lernziele zwingend in einer festgelegten Form, Art und Menge vorgeben müssen, ist nicht sinnvoll. Die Pädagoginnen und Pädagogen können am besten beurteilen, ob und in welchem Masse und welcher Genauigkeit Lernziele zielführend angegeben werden sollen.
Michael Pedrazzi
Vorstand Starke Schule beider Basel