Starke Schule beider Basel (SSbB)

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News

  • Dienstag, April 16, 2024

    Vermietung von Schulräumen an private Vereine

    Trotz Mangel an Arbeitsplätzen und Materialräumen werden in zahlreichen Basler Schulhäusern Räumlichkeiten an private Vereine vermietet. Die Bedingungen für diese Vermietungen sind oftmals nicht klar geregelt. Grossrätin Heidi Mück (BastA) stellt dazu eine schriftiliche Anfrage an den Regierungsrat. (lh)

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  • Sonntag, April 14, 2024

    Vorstoss fordert Anpassung der Schule an die Wirtschaft

    Der Vorstoss «Bildungspolitik enger an die Wirtschaft anbinden», von Landrat Marc Scherrer verlangt die Prüfung der Möglichkeiten, wie die Bildungspolitik stärker den Bedürfnissen der Wirtschat ausgerichtet werden kann. Der Mangel an Ausbildungsinstitutionen und Ausbildungskräften sei ein grosses Problem. (ch)

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  • Samstag, April 13, 2024

    Woche der Berufsbildung findet in der ganzen Schweiz statt

    Berufsleute stellen Ihre Arbeit in Form von Betriebsführungen, Schnupperangeboten, Radiointerviews oder Livestreams vor. Die Woche vom 13.-17. Mai ermöglicht den jungen Menschen einen Einblick in die Berufswelt. (ch)

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  • Freitag, März 22, 2024

    «Medien und Informatik» nun auch in Basel-Stadt

    Im Kanton Basel-Stadt gib es an der Sekundarstufe 1 ab nächstem Schuljahr neu das Fach «Medien und Informatik». Bis anhin wurde ein Teil des Informatikstoffs in den Fächern Mathematik und Deutsch behandelt. (ch)

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  • Freitag, März 22, 2024

    Soll Baselland den Univertrag künden?

    Obwohl der Kanton Basel-Landschaft seit vielen Jahren grosse Beträge an die Universität Basel bezahlt, wird er weder als Universitätskanton anerkannt noch hat er eine eigene Fakultät erhalten. Ein Landrat fordert nun den Austritt aus dem Univertrag. (ai)

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  • Sonntag, März 10, 2024

    Lehrkräfte Apéro mit Mustafa Atici

    Mustafa Atici wird mit grosser Wahrscheinlichkeit das Erziehungsdepartement vom aktuellen Bildungsdirektor Cramer übernehmen. Deshalb lädt er interessierte Lehrpersonen des Kantons Basel-Stadt zu einem Apéro ein, um sich über wichtige Bildungsthemen auszutauschen. (ch)

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Reform ohne pädagogische Basis?

Dauer, das wusste schon der Grieche Heraklit, ist nur im Wandel. Wandel ist demnach immer, Stabilität nur scheinbar. Neu aber ist die Zivilisationsdynamik. Wie ein Wirbelwind stürmt sie daher und reisst Überkommenes mit. Die Gegenwart schrumpft – auch im Pädagogischen. Das Alte lässt sich auf Dauer nicht vor dem Neuen retten. Diese Einsicht gehört zu den Axiomen der Moderne. Sie gilt auch fürs KV, die mit Abstand grösste Berufslehre der Schweiz. Will sie für die Jugendlichen attraktiv bleiben, muss sie sich weiterentwickeln.

Lernen lässt sich nicht abkürzen

Und doch gibt es Konstanten; es gibt Einsichten, die immer gelten und darum keinem Verfallsdatum unterliegen – gerade im Bildungsbereich. Lernen beispielsweise lässt sich nicht beschleunigen. Da gibt es keine Schnellstrassen und keine raffinierten Abkürzungen. Da gelten strapaziöse Fusswege und steinige Bergpfade, da gibt es Dickicht und Umwege. Lernen ist Arbeit, ist Umgang mit widerständigen Materien; der unerlässliche Effort lässt ich nicht minimieren, ausser man will die Lerneffekte reduzieren. Die menschliche Evolution ist eben nicht mit der technischen Innovation gleichzusetzen.[1] Hier sind Riesensprünge nicht möglich.

Das KV steht vor grossem Umbruch

Das scheint die Projektgruppe «Kaufleute 2022» zu vergessen. Seit 2018 ist sie an der Arbeit – als kleines Kernteam hinter verschlossenen Türen und unter absoluter Diskretion. Sie richtet mit der grossen Kelle an und krempelt die kaufmännische Berufslehre komplett um.[2] Seit Kurzem sind die Pläne öffentlich zugänglich; auf das Schuljahr 2022/23 sollen sie in Kraft treten.

Der Fokus verlagert sich weg von den klassischen Fächern hin zum Erwerb von „Handlungskompetenzen“. Angesagt ist „Handeln in agilen Arbeits- und Organisationsformen“ oder „Interagieren in einem vernetzten Umfeld“. Das Einzelfach verschwindet zugunsten solcher Themenblöcke. Statt Deutsch steht dann beispielsweise „Gestalten von Kunden- oder Lieferantenbeziehungen“ auf dem Programm oder das Führen von „anspruchsvollen Beratungs- und Verhandlungsgesprächen“. Sogar Smalltalk-Techniken tauchen auf. Die Berufsschülerinnen und -schüler „prüfen die Angemessenheit der Inhalte und die Qualität der Smalltalks“, fordert ein Kompetenzziel. „Warme Luft als Schulfach“, spöttelt die NZZaS über diese Leerformel.[3] Das sei ein Wissenserwerb auf der Basis realer Probleme, lassen die Lehrplangestalter der privaten Zürcher Firma Ectaveo AG verlauten.

Politisch brisante Fremdsprachenfrage

Französisch und Englisch verlieren ihren Status als obligatorische Fremdsprachen; sie werden zu Wahlpflichtfächern abgestuft. Das dürfte politisch höchst brisant sein. Welche Sprache der Pflicht obliegt, bestimmen die Kantone. Verschwinden wird wohl Französisch. Um Englisch kommt keine Schule herum. Auch andere, bis anhin obligatorische Fächer wie Finanz- und Rechnungswesen werden zu Optionen umgestuft.

Gleichzeitig werden die beiden bisherigen Modelle, das kleinere Basis-Profil oder B-Modell sowie die erweiterte Grundbildung (E-Profil) aufgelöst und zusammengelegt. „Flexible Möglichkeiten“ sollen dem bisherigen Profil- und Niveauunterschied Rechnung tragen. Die Berufsmatura, das M-Profil, bleibt. Rund ein Drittel der 13‘000 Berufsschülerinnen und -schüler absolviert sie.

 Viele schöne Worte

Bei solchen Reformen sind grosse Worte unvermeidlich. Das zeigt sich auch hier. Die reformierte KV-Ausbildung sei „konsequent auf die heutigen Arbeitsmarktanforderungen ausgerichtet“, schreibt Esther Schönberger, Rektorin KV Luzern.[4] „Die Arbeitssituationen werden kompetenzorientiert unterrichtet.“ Doch was bedeutet das konkret? Mehr als eine Assoziation des Wohlklingenden ist das kaum. Wie kann man Situationen unterrichten? Und erst noch kompetenzorientiert? Situationen lassen sich beschreiben und analysieren, allenfalls konstruieren; man kann Lehren aus dem Einzelfall ziehen. Aber unterrichten?

In den Papieren ist viel die Rede vom agilen und flexiblen Handeln, von digitaler Denkweise und vom Interagieren, von Sozial- und Selbstkompetenzen, von Kreativität und natürlich vom selbständigen Problemlösen und kritischen Denken. Nirgends aber steht, dass kritisches Denken einen Kernbestand an Kenntnissen von dem, was denn kritisiert werden soll, voraussetzt. Denken als innerer Dialog zwischen mir und mir selbst bedeutet doch immer ein Nachdenken über etwas. Und nirgends findet sich der Hinweis, dass „kompetentes“ Handeln nur möglich ist, wenn man weiss, worum es in der Sache, die man kompetent bearbeiten soll, überhaupt handelt? Kompetenzen brauchen immer ein Wissensfundament. Das Denken folgt dem Wissen, das Können dem Geübt-Haben. Eine pädagogische Konstante!

Sprachfähigkeit als Schlüsselkompetenz schlechthin

Sie gilt auch für die Sprache. Darum ist es unverständlich, dass ein Kernfach wie Deutsch aufgelöst wird. In einer kommunikativ verdichteten, mediengeleiteten Dienstleistungsgesellschaft braucht es ein gut entwickeltes muttersprachliches Können in Wort und Schrift. Die internationale Vergleichsstudie PISA 2019 liefert düstere Daten: Fast ein Viertel der 15-Jährigen ist nicht in der Lage, einfache Verknüpfungen zwischen verschiedenen Textteilen herzustellen. Solche Probleme zeigen sich in der Rezeption wie in der Produktion. Konkret: Jeder vierte Schulabsolvent versteht den Inhalt des Gelesenen nicht, und er hat Mühe, kohärente Texte herzustellen.  Die Schweiz dümpelt damit unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten und klar hinter Nachbar Deutschland. Das ist besorgniserregend.

Statt Mitsprache ein Maulkorb

Auch sprachliches Können braucht geordnetes Grundlagenwissen; es ist an den systematischen Aufbau von Wissensstrukturen gebunden. Das will erarbeitet sein; dazu zählt nicht nur verständliches und präzises Formulieren, sondern auch korrektes und kohärentes Schreiben. Mit dem Wegfall des Faches fällt die Systematik dem Zufälligen zum Opfer. Davor warnen die Stimmen der Berufsschullehrerinnen und -lehrer. Viele wenden sich gegen diese Art von Reform. Es ist eine Reform von oben; sie verzichtet auf das Erfahrungswissen der Basis. Eine KV-Lehrerin bringt es auf den Punkt: „Statt Mitspracherechte erhalten wir Maulkörbe.“[5]

Euphorie für einen aufoktroyierten Wandel?

„Was alle angeht, können nur alle lösen“, heisst es in Friedrich Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“. Das wurde hier nicht bedacht. Anstelle von Kooperation mit der Basis gab es Denk- und Sprechverbote. Vielleicht erfolgt darum von oben die Beschwörung des Trivialen. Euphorisch schreibt KV-Rektorin Schönberger: „Zudem stehen die Lernenden im Lernprozess im Mittelpunkt.“ (sic!) Für eine Schule doch das Selbstverständlichste der Welt! Wer denn sonst? Die Schulleitung – der Hauswart?

Im Raum bleibt die Frage: Wie kann bei so viel Intransparenz und Zwang von oben Begeisterung im pädagogischen Parterre aufkommen für einen Wandel, den es ohne Zweifel braucht? Im Dienst von 13’000 jungen Menschen – und der kommunikativen Vernunft, auf die eine Demokratie wie die Schweiz angewiesen ist.

Carl Bossard

[1] Klaus Zierer (2018), Die Grammatik des Lernens. Was bei der Digitalisierung im Bildungsbereich nicht vergessen werden darf, in: FAZ, 04.10.2018, S. 7.
[2] Vgl. Information der Schweizerischen Konferenz der Kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen (SKKAB): https://www.skkab.ch/fachinformationen/kaufleute-2022/ [Status: 30.04.2021]
[3] René Donzé, Smalltalk statt Fremdsprache: KV steht vor grossem Umbau, in: NZZaS, 04.04.2021, S. 1, 12.
[4] Vgl. https://www.kvlu.ch/berufsfachschule/news/nun-wird-es-konkret-die-kv-reform-geht-die-umsetzungsphase [Status: 30.04.2021]
[5] Martin Sturzenegger, Co-Working ersetzt Frontalunterricht, in: Tagesanzeiger, 06.01.2020, S. 13.

[Quelle: https://condorcet.ch/2021/05/reform-ohne-paedagogische-basis/]