Leserkommentar
Kommentar zu: Verstehendes Lernen wird vernachlässigt von Carl Bossard
Carl Bossard deckt überzeugend auf, dass die Bildungspolitik ihr Hauptziel aus den Augen verloren hat. Eine bombastische Ausweitung des Bildungsprogramms hat dazu geführt, dass ganz wesentliche Bildungsziele verfehlt wurden. Dazu bestimmten eine dogmatisch vorangetriebene Gleichmacherei mit entsprechenden Strukturreformen und Steuerungsphantasien der Bildungsplaner weitgehend die Agenda der Bildungspolitik. Die Resultate dieser Reformen sind in jeder Hinsicht ernüchternd. Für Klassenlehrkräfte wurde durch das belastende Integrationskonzept mit strikter Ablehnung von Förderklassen die Unterrichtsarbeit erschwert. Statt zu schauen, was das Lernen wirklich fördert, wurde die Lehrerrolle schleichend abgewertet. Doch Jugendliche wollen keine Lernbegleiter als graue Mäuse im Klassenzimmer. Sie wünschen sich eine kompetente und vertrauenswürdige Lehrerpersönlichkeit, die mit Freude die Klasse führt und wesentliche Inhalte vermittelt. Die Bildungspolitik hat es verpasst, die Prioritäten richtig zu setzen. Man hat jahrelang umgebaut, ohne über den Kernbereich der Pädagogik zu reden.
Unsere Schule braucht verbindliche Bildungsinhalte, eine Stärkung der Lehrerrolle und ein gründliches Ausmisten bei den schulischen Wunschzielen. Dies unter Berücksichtigung des wichtigen kulturellen Auftrags der Schule bei der Allgemeinbildung zu realisieren, ist die grosse Herausforderung der kommenden Jahre.
Hanspeter Amstutz
Ehem. Bildungsrat und Sekundarlehrer, Fehraltdorf ZH
Hier kommen Sie zum Artikel von Carl Bossard
News
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Samstag, November 23, 2024
In einem aktuellen Fall entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass Prüflinge bei einer mündlichen Prüfung im Falle eines Rekurses das Recht auf eine rudimentäre Begründung haben. (lbe)
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Mittwoch, November 20, 2024
Depressionen, Sucht und Essstörungen sind nur ein Bruchteil der psychischen Probleme, welche durch starken Social-Media-Konsum vor allem bei noch sehr jungen Personen ausgelöst werden können. Australiens Regierung verkündete daher, den Zugang zu sozialen Medien für unter 16 Jährige zu verbieten. Sie ist damit noch radikaler als Frankreich anfangs des Jahres, welche die Altersgrenze auf ab 13 Jahren setzten will. (lh)
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Samstag, November 16, 2024
Diskussionen um ein neues Schwerpunktfach an den Gymnasien im Stadtkanton. Nun ist klar, der vorgesehene neue Schwerpunkt Ernährung/Gesundheit/Sport (EGS) wird doch nicht eingeführt. (as)
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Freitag, November 15, 2024
Seit dem neuen Herbstsemester bietet die PH FHNW ein neues Modul an, bei welchem es den Studierenden ermöglicht wird, ihre Kompetenzen in der Sonderpädagogik zu vertiefen. Der neue Schwerpunkt ist für die Lehrpersonen Sekundarstufe I ausgelegt und trifft auf grosses Interesse. (as)
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Samstag, November 02, 2024
Die Migrant*innensession 2024 fordert die beiden Basler Halbkantone zur Teileingliederung von heimatlichen Sprach- und Kulturkursen an öffentlichen Schulen auf. (lbe)
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Montag, Oktober 28, 2024
Lehrpersonen sind in der Schweiz im Durchschnitt unzufriedener geworden und geraten immer mehr an ihre eigenen Grenzen, so die Berichterstattung der NZZ vom August. Seit geraumer Zeit berichtet die Zeitung regelmässig und ausführlich über bildungspolitische Themen und die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Meinungen: Die einen sehen das Problem des Leistungsabbaus an unseren Schulen in der integrativen Schule und der Digitalisierung, während die anderen die bildungspolitischen Reformen der vergangenen Jahre verteidigen. (as)
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03.03.2024
Medienkonsum lässt die Bildungsqualität sinken
Der hohe Medienkonsum und eine zu exzessive Digitalisierung sind gemäss einer Umfrage der Starken Schule beider Basel (SSbB), an welcher 535 Lehrpersonen und Bildungsinteressierte teilgenommen haben, die Hauptursache für den Leistungsabfall der Schüler/-innen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Dringender Handlungsbedarf ist angezeigt und erste politische Vorstösse wurden bereits angekündigt.
Die Ergebnisse der PISA-Studie 2022 sind bekannt, die Resultate der Schüler/-innen ziemlich ernüchternd: Die durchschnittlichen Leistungen der 15-jährigen Schulabgänger/-innen sinken in den Fächern Deutsch und Mathematik kontinuierlich weiter und dies seit vielen Jahren. Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht erkennbar.
Die SSbB hat bei Lehrpersonen und Bildungsinteressierten aus den beiden Basler Halbkantonen nach möglichen Gründen des Leistungsabbaus gefragt und daraus 21 Thesen formuliert. In einer breit angelegten Umfrage konnten die Befragten diese Thesen nach ihrem Einfluss auf den Bildungsabbau beurteilen, wobei jede einzelne These jeweils mit einer Zahl von 0 (kein Einfluss auf den Bildungsabbau) bis 10 (sehr grosser Einfluss) beurteilt werden konnte. 90 Prozent der Teilnehmenden sind Lehrpersonen, die überwiegend auf der Primar- und Sekundarstufe 1 unterrichten.
Sechs Thesen haben mit einem Wert von 7.6 bis 8.5 einen sehr hohen Einfluss
Die Befragten stufen die in der folgenden Grafik ersichtlichen sechs Thesen mit den höchsten Werten ein. Auffällig dabei ist, dass mehrere Thesen mit sehr hohen Werten unruhige, unkonzentrierte und verhaltensauffällige Schüler/-innen betreffen, die den Unterricht stören und so erheblich zum Bildungsabbau beitragen.
Medienkonsum sorgt für grössten Bildungsabbau
Den höchsten Einfluss mit 8.5 von 10 Punkten hat die These «Die Schüler*innen haben durch den hohen Medienkonsum weniger Konzentration und können fast nur noch konsumieren. Etwas zu leisten wird als enorm mühsam angesehen.» Von den befragten Lehrpersonen wird der tägliche Konsum mit digitalen Geräten zuhause und in der Schule als einer der Hauptgründe für den Leistungsabbau angesehen. In Schweden, Finnland und den Niederlanden, die ebenfalls einen grossen Leistungsabfall ihrer Schüler/-innen hinnehmen müssen und digitale Geräte als einer der Hauptgründe angesehen werden, sind nun erste Massnahmen beschlossen und teilweise bereits umgesetzt worden: Computer werden aus den ersten sechs Schuljahren gänzlich verbannt.
Mit 7.9 Punkten ebenfalls einen ausgesprochen hohen Einfluss auf den Leistungsabfall der Schüler/-innen hat die These «Kindern wird heute weniger Lesekultur vorgelebt, weshalb sie in ihrer Freizeit kaum mehr lesen». Diese Aussage korreliert stark mit der vorher genannten These betreffend Medienkonsum; denn wer täglich mehrere Stunden am Handy verbringt, liest selten bis gar nie ein Buch.
Freiwillige Schulsynode (FSS) liegt mit ihrer Initiative richtig
Ein weiteres interessantes Ergebnis ist die Einstufung der These «Es gibt mehr verhaltensauffällige Schüler*innen im Regelunterricht, die den Unterricht stören und damit das Erreichen der Lernziele der Klasse erschweren». Diese Aussage erreichte mit 7.7 Punkten den vierthöchsten Wert.
Im Kanton Basel-Stadt ist zurzeit die Initiative der Freiwilligen Schulsynode (FSS) hängig, welche die Einführung von sogenannten Förderklassen fordert. Dort sollen Schüler/-innen, die aus diversen Gründen nicht in eine Regelklasse integriert werden können, separativ unterrichtet werden. Dadurch soll in den Regelklassen ein ruhiger und zielführender Unterricht ermöglicht werden. Der hohe Wert dieser These zeigt, dass die befragten Lehrpersonen deutlichen Handlungsbedarf in dieser Thematik sehen und eine Entlastung der Regelklassen anzustreben ist. Ein permanentes Stören eines Schulkindes darf nicht zum Nachteil einer grossen Mehrheit von ruhig arbeitenden Schüler/-innen werden.
Viele Jugendliche werden im Elternhaus ungenügend erzogen
Die folgenden Thesen wurden mit Werten von 6.5 bis 7.2 Punkten eingestuft und deuten innerhalb der 21 Thesen einen mittleren bis hohen Einfluss auf den in der PISA-Studie festgestellten Bildungsabbau an.
Die Bewertung von 7.2 Punkten für die These, dass eine unzureichende familiäre Erziehung negative Auswirkungen auf das Verhalten in der Schule hat, unterstreicht die Bedeutung der Erziehungsqualität zu Hause. Eine Vernachlässigung diesbezüglich führt dazu, dass die Lehrpersonen mit ihren Schüler/-innen erst Erziehungsgrundlagen schaffen müssen, bevor sie an den tatsächlichen Zielen des Unterrichts arbeiten können.
Mit einem Wert von 6.9 bewertet, weist die Einstufung der These «Die Schüler*innen können das Gelernte zu wenig üben. Ihr Wissen bleibt damit oberflächlich und ungenau.» darauf hin, dass die Lehrpersonen eine Diskrepanz zwischen den vorhandenen Übungsmöglichkeiten und dem tatsächlichen Bedarf der Schüler/-innen sehen. Dies könnte auf eine Überlastung des Lehrplans oder unzureichende Ressourcen hinweisen, die es erschweren, den Lernbedürfnissen der Schüler/-innen gerecht zu werden.
Bei der Bewertung von 6.8 Punkten der These «Die Primarlehrpersonenausbildung ist zu wenig praxisorientiert. Dadurch hat die Unterrichtsqualität abgenommen.» wird deutlich, dass die Umfrageteilnehmenden die Qualität der Primarlehrpersonenausbildung kritisch beurteilen und die Ausbildung an der PH FHNW Verbesserungspotenzial aufweist.
Mit einem Wert von 6.5 Punkten hat im Kanton Basel-Landschaft der Wechsel von 5 auf 6 Primarschuljahren einen ebenfalls erheblichen Einfluss auf den Leistungsabbau.
Gruppenarbeit und Mathematiklehrmittel erzielen die tiefsten Werte
Die verbleibenden acht Thesen wurden mit Werten zwischen 5.2 bis 6.3 eingestuft und haben so anscheinend zwar immer noch einen Einfluss auf den Bildungsabbau, jedoch einen deutlich schwächeren. Die folgende Grafik zeigt die am tiefsten bewerteten Thesen.
Von den 21 formulierten und von den Lehrpersonen beurteilten Thesen wurde die Aussage, dass «die heute im Fach Mathematik zur Verfügung stehenden Lehrmittel unstrukturiert, zu oberflächlich konzipiert» seien, am tiefsten eingeordnet. Die Bewertung von 5.2 Punkten könnte deshalb zustande kommen, weil seit einigen Jahren in beiden Basler Halbkantonen eine beschränkte Lehrmittelfreiheit besteht und die Lehrpersonen von einer Liste auswählen können, womit sie im Unterricht arbeiten möchten.
Die zweittiefste Bewertung erhielt die These «Gruppenarbeit als Unterrichtsform ist betreffend Erreichen der fachlichen Fähigkeiten weniger effizient». Die befragten Lehrpersonen stufen diese mit 5.5 Punkten ein.
Die durchschnittliche Einstufung aller 21 Thesen liegt zwischen 5.2 und 8.5 bei einer Intervallgrösse von 0 bis 10. Faktisch heisst das: Alle 21 Thesen haben gemäss der Beurteilung der 535 teilnehmenden Pädagoginnen und Pädagogen einen mittelhohen bis hohen Einfluss auf den in der PISA-Studie festgestellten Bildungsabbau.
Lehrpersonen Primar und Sekundarstufe I + II beurteilen mehrere Thesen sehr unterschiedlich
Bei einigen Thesen gab es in der Einstufung deutliche Unterschiede zwischen den Umfrageergebnissen der Lehrpersonen der Primarstufe und der Sekundarstufe I und II. Beispielsweise bei der Aussage, dass die Schüler*innen aufgrund des Taschenrechners weniger gut Kopfrechnen können, sehen die Sekundarlehrpersonen einen Einfluss von 6.7 Punkten. Die Primarlehrpersonen hingegen stufen diese mit 5.3 Punkten als deutlich weniger einflussstark ein.
Weiter unterscheiden sich die Meinungen betreffend Wechsel von 5 auf 6 Jahren Primarschule. Die Sekundarlehrpersonen empfinden die Aussage «Mit dem Wechsel von 5 auf 6 Jahren Primarschule geht der Sekundarschule ein Jahr verloren. Die Primarschule kann in diesem zusätzlichen Jahr nicht den gleichen Unterrichtsstoff behandeln, wie dies die Sekundarschule zuvor konnte.» mit 7.2 als einflussstark. Die Primarlehrpersonen hingegen stufen dies mit 5.6 signifikant tiefer ein.
Der grösste Unterschied ist wieder im Bereich der Digitalisierung zu verordnen. Während die Primarlehrpersonen mit 5.3 Punkten bei Tablets und Laptops nur eine mittelgrosse Ablenkung während des Unterrichts sehen, geben die Sekundarlehrpersonen mit 7.6 Punkten ein sehr hohes Ablenkungspotential respektive einen hohen Einfluss auf den Bildungsabbau an. Diese Angaben dürften mit grosser Wahrscheinlichkeit daher rühren, dass in den Primarschulen der Umgang mit den iPads noch viel geführter respektive restriktiver gehalten wird und die Schüler/-innen an den Sekundarschulen häufiger an den digitalen Endgeräten arbeiten.
Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel