Starke Schule beider Basel (SSbB)

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News

  • Donnerstag, Juli 03, 2025

    Alle Fraktionen befürworten in St. Gallen Abschaffung von Frühfranzösisch

    Im März 2025 ging im Kanton St. Gallen eine Motion im Kantonsrat ein, die den Fokus auf Grundkompetenzen und somit Französischunterricht erst ab der Oberstufe fordert. Die Motion wurde von allen Fraktionen unterstützt. (lbu)

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  • Montag, Juni 30, 2025

    Neue Schulanlage Fröschmatt

    Die Schulanlage Fröschmatt in Pratteln soll für rund 119 Millionen Franken erneuert werden. Das neue Schulhaus soll im dritten Quartal des Jahres 2029 fertig sein und Platz für 36 Klassen bieten. (lbu)

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  • Samstag, Juni 28, 2025

    Revision im Bereich Guthaben für zusätzliche Lektionen

    Der Kanton Basel-Stadt strebt eine Revision betreffend die Pflichtlektionenzahl und Lektionenzuteilung der Lehrpersonen an den vom Kanton geführten Schulen an, denn das heutige System bietet kaum Möglichkeiten Guthaben von zusätzlichen Lektionen abzubauen. Die Ziele davon sind der Abbau der bestehenden Guthaben innerhalb einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Die Verhinderung von neuen zu hohen Guthaben. Und die Angleichung der Regelungen für die Lehrpersonen an die für andere Kantonsmitarbeitende geltenden Bestimmungen. (lbu)

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  • Donnerstag, Juni 26, 2025

    Neue Eintrittsregelung fürs Gymnasium

    Ab dem Schuljahr 2025/26 soll es eine Altersbeschränkung für den Eintritt ans Gymnasium geben. Der reguläre Eintritt in eine erste Klasse des Gymnasiums ist demnach nur noch bis zum vollendeten 19. Lebensjahr möglich. (lbu)

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  • Dienstag, Juni 24, 2025

    Sicherheit und Krisenfestigkeit an Baselbieter Schulen

    An der Landratssitzung vom 12 Juni 2025 hat Dominique Erhart ein politischer Vorstoss zum Thema Sicherheit und Krisenfestigkeit an Baselbieter Schulen eingereicht. Erhart fordert von der Regierung, die Sicherheitsmassnahmen der Baselbieter Schulen zu testen und gegebenenfalls zu verbessern. (ch)

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  • Samstag, Juni 21, 2025

    Nachwuchssicherung Ärzteberuf in der Nordwestschweiz

    Im Kanton Basel-Landschaft herrscht ein akuter Fachkräftemangel im medizinischen Bereich. Landrat Sven Inäbnit (FDP) reichte deswegen vergangenen Donnerstag eine Interpellation ein und fordert Massnahmen zur Steigerung der Attraktivität des medizinischen Bereichs in der Region Nordwestschweiz. (lbu)

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15.07.2022 - Gastbeitrag

Dem Lehrermangel geht die Flucht aus dem Schulzimmer voraus

Lehrer reduzieren ihr Pensum, Lehrerinnen steigen aus dem Beruf aus. Aber kaum jemand nennt die Gründe. Sie liegen in den technokratisch durchgeführten Reformen, schreibt Carl Bossard

«Les Petites Fugues» heisst einer der erfolgreichsten Schweizer Filme, in dem es um die kleinen Fluchten aus dem Alltag in einem jurassischen Bauernhof geht, poetisch inszeniert von Regisseur Yves Yersin. Im Mittelpunkt steht der Knecht Pipe, der sich für seine Pension ein Mofa kauft. Das kleine Gefährt verleiht ihm Freiheit. Damit entflieht er seinem Umfeld. Fliehen! Das ist im Moment auch für viele Lehrerinnen und Lehrer die Devise. In Teilpensen oder gar gänzlich weg aus dem Unterrichten.

Noch nie waren kurz vor den Sommerferien so viele Stellen offen. Im Kanton Zürich etwa sind derzeit 260 Pensen nicht besetzt. Händeringend suchen Schulgemeinden nach Lehrpersonen; verzweifelt werden Pensionierte rekrutiert, Inserate publiziert und Videos aufgeschaltet. «Lehrdiplom von Vorteil», heisst es in Aufrufen. In ihrer Not stellen die Verantwortlichen darum «Personal ein, das weder über ein Patent noch über gute deutsche Sprachkenntnisse verfügt», wie der Berner Grossrat Alain Pichard konsterniert notiert.

Warum diese prekäre Lage? Der Wegfall der Kleinklassen als Folge der Integration ganz unterschiedlicher Kinder in die gleiche Lerngemeinschaft verstärkt die Unruhe im Schulzimmer. Das erschwert den Unterricht und erhöht den Zeitbedarf fürs einzelne Kind. Die Koordinationsabsprachen mit all den Betreuungspersonen sind anspruchsvoll; der administrative Aufwand steigt. Die Arbeitszeit reicht vielfach nicht aus; die Überstunden summieren sich. Viele kürzen darum ihr Pensum. Ein Fakt mit Folgen! 

«Lehrer sollen mehr arbeiten» fordern die Bildungsdirektionen. Sie wollen so den akuten Lehrermangel bekämpfen. Die Flüchtlingskrise akzentuiert ihn noch. Doch nach den Gründen fragt kaum jemand. Vielfach begnügt man sich mit Klischees: Frauen- und Teilzeitberuf, notorische Larmoyanz und ähnliche Stereotype. Solche Vorurteile verdrängen die realen Ursachen. Sie liegen vielfach in der Reformkaskade der vergangenen Jahre. Schule und Unterricht sind für die Verwaltungsstäbe, so macht es den Anschein, primär eine Frage der Systemsteuerung oder der Governance, wie das heute heisst. Für die Bildungsfunktionäre ist alles ist planbar und machbar, alles berechenbar und steuerbar. Vieles wird zudem minuziös vermessen, teilweise auch der Berufsauftrag. Pro Schulstunde sind fürs Vor- und Nachbereiten an gewissen Orten 30 Minuten eingeplant, inklusive Korrekturen. Jeder Praktiker weiss: Das reicht nicht! So entstehen wieder neue Probleme, ganz nach dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann: «Beobachtet man das jeweils reformierte System, hat man den Eindruck, dass das Hauptresultat von Reformen die Erzeugung des Bedarfs für weitere Reformen ist.» 

Wer die vielen Top-down-Innovationen betrachtet, erkennt schnell, was radikal anders geworden ist: Das System wechselt von der «Input-» auf die «Output-Steuerung». Den Schulen wird nicht mehr vorgegeben, was inhaltlich zu unterrichten ist. Detailliert wird vorgeschrieben und genau geregelt, was die Schülerinnen und Schüler am Ende können müssen. Festgelegt wird der Output der Schüler und teilweise auch verordnet, wie er zu erreichen sei, also der méthodos, der Weg. Der Lehrplan 21 legt darum kleinparzellierte Einzelkompetenzen fest. Im Fach Musik wird zum Beispiel von einem Kind gefordert: «Kann seinen Körper sensomotorisch wahrnehmen und musikbezogen reagieren.» Ein solches Korsett wird für viele zum Problem.

Aus der subjektiven Warte einer Sekundarlehrerin klingt das so: «Was ich machen muss, ist Stoff durchnehmen mit dem alleinigen Ziel, ihn nachher zu testen und eine Note zu haben.» 20 Examina allein in Französisch, über 60 Prüfungsnoten pro Semester, dazu Zwischenzeugnisse mit Zahlen und ellenlangen Rastern. «Ich muss die Kinder mit Kreuzchen in Kästchen drücken.» Jedes Aufgaben-Vergessen, jedes Zu-spät-Kommen muss vermerkt werden; nach Gründen fragt niemand. Notiert gilt als erledigt, basta: Reduktion auf Kreuzchen und Noten. «Wie wollen Kinder da noch Freude an der Schule behalten?» Das Gleiche gilt auch für die Lehrerin. Sie wird die Schule verlassen. Wie so viele. Eine Einzelstimme zwar, aber kein Einzelfall. «Der Schule laufen die Lehrer davon», warnte die «NZZ am Sonntag» schon vor Jahren.

Der Bauernknecht Pipe trat die Flucht aus dem engen Alltag an. Sein Wegzug änderte am Hof manches. Ob die Flucht so vieler Lehrer in Teilpensen und in die Privatwirtschaft an den Schulen etwas bewirkt? Die Zweifel bleiben. Die Bildungsstäbe begnügen sich meist mit Kosmetik; sie bekämpfen die Symptome – mit attraktiveren Stellenportalen oder zusätzlichen Kommissionen. Wirksame Reformen aber sehen anders aus. Sie müssten dringend angegangen werden. Leidtragende sind sonst die Schulkinder.

Carl Bossard
Ehemaliger Direktor Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor Pädagogische Hochschule Zug