24.06.2025
Führungsstil der Schulleitung löst Flut von Kündigungen aus
14 teils langjährige und erfahrene Primarlehrpersonen haben ihr Arbeitsverhältnis an der Primarschule Allschwil auf Ende dieses Schuljahres gekündigt – dies teilte die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) auf Anfrage im Landrat mit. Hinzu kommen alle Lehrpersonen, die eine Verlängerung ihres auslaufenden Arbeitsvertrages ablehnten.
Die Vorwürfe vieler Lehrpersonen an die Adresse der Schulleitung wiegen schwer: willkürliches, schikanöses und gesetzwidriges Verhalten, Mobbing, Vetternwirtschaft mit der Bevorzugung von Familienangehörigen eines Schulleitungsmitgliedes, sowie ein autoritärer, teils diktatorischer Führungsstil.
Primarlehrpersonen erhalten Maulkorb
Der Starken Schule beider Basel (SSbB) sind in den vergangenen Tagen E-Mails, Briefe und verschiedene Dokumente von rund einem Dutzend Lehrerinnen und Lehrern zugestellt worden – mit brisantem Inhalt: Die Zustände an der Primarschule Allschwil seien laut mehreren Zuschriften sehr belastend.

Seit einiger Zeit, so berichten Betroffene, sei eine freie Meinungsäusserung im Konvent kaum mehr möglich. Lehrpersonen, die es dennoch wagten, wurden vom Rektor zitiert und zurechtgewiesen. Vieles deutet darauf hin, dass den Primarlehrpersonen stillschweigend ein Maulkorb verpasst wurde – offenbar eine Überreaktion eines Schulleitungsmitglieds.
Der Rektor soll inzwischen seit Wochen krankgeschrieben sein. Nun ist er auf Tauchstation: Antworten auf Fragen der SSbB oder eine klärende Stellungnahme? Fehlanzeige. Wir hätten seine Darstellung gerne in diesem Artikel berücksichtigt.
Vetternwirtschaft – eine üble Sache
Es scheint kein Einzelfall zu sein: Schulleitungsmitglieder sollen bei Anstellungen und Stundenwünschen systematisch Familienangehörige, deren Freundinnen und Bekannte bevorzugen. Eine Lehrperson teilt uns mit, dass die Tochter einer Schulleiterin eine Unterstufenklasse erhielt und in dasjenige Schulhaus wechseln darf, in welchem ihre Mutter die Schulleiterin ist.
Eine andere Lehrperson schreibt in einem längeren Brief an die SSbB deutlich und ausführlich, dass eine solche Bevorteilung eigener Familienangehörigen und Freunden nicht haltbar sei.
Demgegenüber würden Wünsche von langjährigen und erfahrenen Lehrpersonen, die sich auch mal kritisch äussern, von der Schulleitung ignoriert oder sie würden sogar als Strafmassnahme aus ihren gut funktionierenden Teams herausgerissen, in ein anderes Schulhaus zwangsversetzt und das Ganze als Führungsmassnahme deklariert.
Ein Klima der Angst und Verunsicherung
Eine Primarlehrperson beschreibt uns die Situation wie folgt: «An der Primarschule Allschwil herrscht, aufgrund der Handlungen der Schulleitung, ein Klima voller Angst und Verunsicherung. Dieser belastende Zustand besteht nun seit fast zwei Jahren und verschärft sich zusehends». Zugespitzt habe sich die Situation, «nachdem sich das Kollegium für eine Kollegin starkgemacht hat, die ein Jahr lang vom Rektor (…) einen unbefristeten Vertrag versprochen bekam, diesen aber nicht erhalten hat». Solche «wiederholten Versprechen seitens der Schulleitung, die nicht eingehalten wurden», würden dem «Schulklima schaden».
Eine andere Lehrperson beschreibt den Führungsstil des Schulleiters als autoritär, bisweilen diktatorisch und prangert eine erhebliche Vetternwirtschaft an. Sie empfinde den Rektor als «empathielos».
Wird kantonales Recht missachtet? Streit um Entlastungslektionen.
Seit dem Schuljahr 2023/24 erhalten Klassenlehrpersonen der Primarstufe eine Jahreslektion zur Entlastung für administrative Aufgaben im Rahmen ihrer Klassenführung. Der Umgang mit dieser Entlastungslektion ist im kantonalen «Merkblatt Entlastungslektion Klassenlehrpersonen Primarstufe» durch das Amt für Volksschulen (AVS) geregelt. Insbesondere bei Teilpensen und geteilten Klassenlehrfunktionen im Jobsharing hält das Merkblatt unmissverständlich fest: «Eine Auszahlung der Entlastungslektion ist nicht möglich». (siehe folgende Darstellung aus dem Merkblatt)

Nicht so in Allschwil: Lehrpersonen mussten sich laut mehreren E-Mails diese Entlastungsstunden auszahlen lassen – entgegen den unmissverständlichen Vorgaben des kantonalen Merkblatts. Eine Gutschrift in der Stundenbuchhaltung wurde ihnen verweigert. Warum die Schulleitung diese klare Weisung des AVS ignoriert, bleibt offen. Eine entsprechende Anfrage der SSbB bei der Schulleitung blieb unbeantwortet. Eine Schulleiterin verweigerte die Auskunft und verwiess lapidar auf die Schulratspräsidentin.
Kettenverträge sind meist unzulässig – die rechtliche Situation
Für Lehrpersonen mit abgeschlossener Ausbildung gilt gemäss §5 der Personalverordnung: «Der Arbeitsvertrag ist in der Regel unbefristet abzuschliessen». Ausnahmen regelt §6 der Personalverordnung. Ein befristeter Arbeitsvertrag ist nur dann zulässig, wenn eine der folgenden drei Bedingungen erfüllt ist:
a. für Anstellungen, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung befristet sind;
b. für den befristeten Einsatz in einer Stellvertretungsfunktion;
c. für Anstellungen von Lehrpersonen, wenn die Ausbildung unvollständig ist.
Ist keine dieser Ausnahmen gegeben, besteht ein Anspruch auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Zwei typische Beispiele für rechtlich zulässige Befristungen gemäss §6 der Personalverordnung sind: Wenn eine Klasse vorübergehend eröffnet und dafür eine zusätzliche Lehrperson benötigt wird (lit. a.) oder wenn es sich um eine Vertretung z.B. bei einem Mutterschaftsurlaub handelt (lit. b.).
Wenn keine Ausnahmeregel vorliegt, bedeutet das faktisch: Lehrpersonen mit abgeschlossener Ausbildung werden in der Regel unbefristet angestellt. Während der ersten sechs Monate gilt die gesetzlich vorgesehene Probezeit, in der das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten unter erleichterten Bedingungen gekündigt werden kann.
Für Lehrpersonen, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, sind in §6 die Abs. 2 und 5 relevant: Absatz 2 legt fest, dass die Gesamtdauer aller befristeten Arbeitsverhältnisse in der Regel 48 Monate nicht überschreiten soll. In Absatz 5 wird ergänzt, dass befristete Arbeitsverträge für dieselbe Funktion mit derselben Person in der Regel höchstens dreimal hintereinander abgeschlossen werden dürfen.
Für Lehrpersonen bedeutet das konkret: Da sie in der Regel keinen Funktionswechsel durchlaufen, ergibt sich faktisch eine maximale Befristungsdauer von 36 Monaten (drei aufeinanderfolgende Einjahresverträge in derselben Funktion).
Bei einem Funktionswechsel, was bei Lehrpersonen im Normalfall nicht vorkommt, wäre die 48-Monatsregel gemäss §6, Abs. 2 der Personalverordnung wirksam. Eine fortgesetzte Befristung ohne gesetzliche Grundlage ist daher rechtswidrig.
Missachtung von Personalgesetz und Personalverordnung
Zahlreiche Mails und Briefe belegen, dass sich der Rektor der Primarschule Allschwil wiederholt über die Vorgaben des Personalgesetzes und Personalverordnung hinwegsetzt. Gleichzeitig scheint die Schulratspräsidentin nicht in der Lage, die Einhaltung der personalrechtlichen Bestimmungen durch die Schulleitung wirksam durchzusetzen. Nachfolgend ein exemplarischer Fall:
«Nachdem ich nun meinen fünften Arbeitsvertrag mit der Primarschule Allschwil erhalten soll und mir Herr (…) [genannt wird der Name des Rektors] mehrmals einen unbefristeten Vertrag zugesichert hat, war ich sehr irritiert und enttäuscht (…) zu erfahren, dass der Arbeitsvertrag wieder nur ein befristeter sein soll.» Nach einem klärenden Gespräch mit der Schulleitung, wurde der Lehrperson eröffnet, «dass sie möglicherweise gar keinen Vertrag mehr erhalten" wird. Und dies, obwohl der Stundenplan bereits an die Eltern verschickt und das «zugesagte Pensum in SAL eingetragen» wurde und der Rektor der Lehrperson «ein Budget von Fr. 1´800.- zugesprochen» hat «für ein Projekt mit der neuen Klasse im neuen Jahr».
Die Drohung der Schulleitung, dieser Lehrperson keinen neuen Vertrag zu erteilen, stellt ein klares Zeichen mangelnder Führungskultur dar und eine grobe Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben.
Der eingeschaltete Lehrerinnen- und Lehrerverband Baselland (LVB) reagiert mit einer «Anzeige arbeits- und führungsrechtlicher Missstände in der Schulleitung der Primarstufe Allschwil» und weist auf «schwerwiegende Führungsmängel im Schulbetrieb Allschwil» hin, die «nicht nur individualrechtlich, sondern auch aufsichtsrechtlich und systematisch Relevanz entfaltet». Das vom LVB treffend und brillant verfasste Schreiben deckt die «widersprüchliche Personalführung, strukturelle Benachteiligung und systematische Verunsicherung» auf. Und weiter: «Der Führungsstil der Schulleitung Allschwil zeichnet sich gemäss mehreren Rückmeldungen durch hohen Druck, mangelnden Respekt gegenüber Mitarbeitenden und fehlender Gesprächskultur auf. In den letzten zwei Jahren haben zahlreiche engagierte und langjährige Mitarbeitende die Schule verlassen – ein Umstand, der nicht etwa zur Reflexion führte, sondern zur Verschärfung der Kontrolle und Ausgrenzung seitens der Führungsverantwortlichen.»
Das oben dargestellte Beispiel ist nur eines von vielen, das die fortgesetzte Missachtung des Personalgesetzes und der Personalverordnung dokumentiert.
Die Schulleitung bedient sich sogenannter Kettenverträge (= jährlich befristeter Arbeitsverhältnisse), die über mehrere Jahre hinweg fortgesetzt werden, ohne dass ein unbefristeter Vertrag ausgestellt wird. Auch wenn eine rechtliche Qualifikation als „Kettenvertrag“ erst im Einzelfall durch ein Gericht erfolgen würde, deutet die systematische Praxis auf ein strategisches Machtmittel hin: Lehrpersonen, die als kritisch gelten, erhalten schlicht keinen neuen Vertrag.
Ausweichmanöver statt Aufsicht - eine überforderte Schulratspräsidentin
Die SSbB hat die Schulratspräsidentin mit konkreten Fragen zur Personalkrise an der Primarschule Allschwil konfrontiert. Ihre Antwort offenbart eine klare Verweigerungshaltung: Anstatt auf die nachweislich dokumentierten Vorwürfe oder die 14 Kündigungen einzugehen, versteckt sie sich hinter formalen Floskeln. Mit Verweis auf Datenschutz und Amtsgeheimnis weicht sie sämtlichen substanziellen Fragen aus – obwohl eine grundsätzliche Stellungnahme zur Arbeitssituation ohne Offenlegung personenbezogener Daten problemlos möglich wäre.
Besonders bezeichnend ist ihre Rückfrage nach dem "Zusammenhang" der Anfrage der SSbB, obwohl dieser angesichts der zahlreichen Kündigungen und eingegangenen Beschwerden offensichtlich ist.
Die pauschale Delegation der Verantwortung an den Kanton wirkt wie ein Ablenkungsmanöver einer Amtsträgerin, die entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, zu den schwerwiegenden Vorwürfen von Mobbing und der Rechtsverletzungen Stellung zu beziehen.
Fazit
Die dokumentierten Führungsschwächen in der Schulleitung offenbaren gravierende systemische Defizite, verschärft durch eine überforderte und wenig durchsetzungsfähige Schulaufsicht. Wo Kontrollinstanzen versagen und destruktive Führungspraktiken toleriert oder gar gefördert werden, entsteht ein toxisches Arbeitsumfeld, das die Schulqualität gefährdet und Lehrpersonen, Schüler/-innen sowie Eltern nachhaltig belastet.
Der Fall zeigt exemplarisch, wie schwerwiegende und teils irreversible Schäden durch personelle Fehlbesetzungen in Leitungsfunktionen entstehen können. Eine funktionierende Schule braucht integre, kompetente und kooperationsfähige Führungspersönlichkeiten, die das Wohl der Institution über Eigeninteresse stellen.
Angesichts der dokumentierten Missstände ist ein personeller Neuanfang unvermeidlich. Sowohl in der Schulleitung als auch im Schulrat müssen die verantwortlichen Personen zum Wohl der Schule ihre Ämter niederlegen und durch charakterlich geeignete, professionell ausgewiesene Personen ersetzt werden. Mit dem Ziel einer transparenten, respektvollen und konstruktiven Führungskultur. Nur so kann das beschädigte Vertrauen wiederhergestellt und eine positive Entwicklung der Primarschule Allschwil ermöglicht werden.
Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel
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